Michaela Wiesenborn warf einen gut bezahlten Job bei Siemens über Bord, um Jura zu studieren. „Warum tust du dir das nur an?“, wollten ihre Eltern und Freunde wissen. Die Antwort: „Weil es mein Traum ist.“ Seit 2017 arbeitet die Vollblut-Juristin nun bei Südwestmetall. Und ist mit dem Status quo „mehr als zufrieden“.
„Mach doch eine Ausbildung bei Siemens, dein Papa hat auch schon da gearbeitet“, erinnert sich Michaela Wiesenborn an den Rat ihrer Familie. Die damals frisch gebackene Abiturientin ließ sich überzeugen – obgleich ihr Interesse an einem Jurastudium bereits geweckt war. Dennoch gab sie ihrer zweiten großen Leidenschaft den Vorzug: Fremdsprachen. Und startete bei Siemens in München eine Ausbildung zur Europasekretärin.
Anschließend arbeitete sie bei „Siemens Venture Capital“. Eine Zeit, die sie nicht missen möchte: „Das war in den 90ern, der absoluten Aktienhochphase und mein Chef war ein super Typ“, erinnert sich die heute 41-Jährige. Er war es auch, der sie dabei unterstützte wieder die Schulbank zu drücken als „mich der Job nicht mehr ausfüllte“. Sie entschloss sich für ein berufsbegleitendes BWL-Studium an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie (VWA). „Jura war natürlich auch immer im Hinterkopf, aber den Sprung ins ganz kalte Wasser habe ich mir damals einfach noch nicht zugetraut.“
„Wieso tust du dir das nur an?“
Erst einige Jahre später, im Zusammenhang mit einer privaten Neuorientierung, entschied sich Michaela Wiesenborn etwas Grundlegendes zu ändern, insbesondere endlich Jura zu studieren. Die Reaktion der Familie und Freunde? „Die konnten absolut nicht verstehen, wieso ich das mache. Ich hätte ja einen sicheren Job, würde gutes Geld verdienen. Da hörte ich häufig die Frage: Wieso tust du dir das nur an?“ erinnert sich Wiesenborn. Doch sie ließ sich nicht beirren und schrieb sich an der LMU München ein.
Jurastudium neben dem Job
Bald fand sie eine gute Lösung: Auf 20-Stunden-Basis wechselte sie Siemens-intern in die Abteilung Corporate Governance, um Zeit für das Studium zu haben. Auch logistisch war der Wechsel ein Traum: „Ich konnte mit dem Fahrrad morgens zur Uni fahren, war mittags in fünf Minuten in der Siemens-Kantine und wechselte dann rüber in den Job“, erinnert sich Wiesenborn an diese besondere, aber auch fordernde Zeit.
Vor den Staatsexamen nahm sie dann jeweils ein halbes Jahr Sabbatical, „sonst hätte ich das nicht gepackt.“ Ihr Referendariat absolvierte sie direkt in ihrer Abteilung und war hauptsächlich zuständig für die Siemens-Richtlinien und die Organisationsentwicklung. Unter anderem erarbeitete sie die Compliance-Richtlinie.
Im Rahmen dieses Jobs hatte sie bereits sehr viel mit der Rechtsabteilung bei Siemens zu tun, absolvierte dort auch ihr Praktikum. Und hätte nach dem Studium dorthin wechseln können. Allerdings: Aus privaten Gründen zog es sie zurück ins Schwäbische. Da es Siemens-Rechtsabteilungen jedoch nur in München und Erlangen gibt, standen am Ende Südwestmetall und eine Versicherung in der engeren Auswahl.
Hat überzeugt: die Vielfalt des Verbandjobs
Südwestmetall wurde es, weil sie die Vielfalt des Verbandsjobs dem eines Hausjuristen weit überlegen fand: „Ich sitze nicht nur im Büro, sondern vertrete unterschiedlichste Mitgliedsunternehmen als Syndikus-Anwältin vor Gericht.“ Aber auch die freie Beratung schätzt Wiesenborn: „Ich kann frei agieren, was ein Vorteil gegenüber der Kanzlei-Arbeit ist. Ich muss unsere Mitglieder zum Beispiel nicht in eine Klage hineinreden, weil das mehr Geld bringt. Ich kann mit ihnen ehrlich sprechen, was sie auch schätzen: Wenn ich denke, dass wir vor Gericht eine Bauchlandung machen, dann sage ich das auch – und skizziere die realistischen, gerichtlichen und außergerichtlichen, Möglichkeiten.“
Einen anderen Vorteil gegenüber einer klassischen Kanzlei sieht Wiesenborn im Kollektivrecht: Als Sozialpartner verhandelt Südwestmetall zusammen mit der Gewerkschaft IG Metall die Tarifverträge für die gesamte, wohl bedeutendste Branche im Südwesten. „Und wir, also die Anwälte der Südwestmetall-Bezirksgruppen, helfen den Unternehmen dann dabei diese umfangreichen Verträge anzuwenden und zu integrieren.“
„Südwestmetall ist gut vernetzt. Davon profitieren wir auf vielen Ebenen.“
Des Weiteren schätze sie in eine sehr große Struktur eingebettet zu sein. „Viele wissen das nicht. Aber Südwestmetall ist einer der größten privaten Arbeitgeber im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Es gibt also eine unglaubliche Wissensbasis.“ Und damit der Wissenstransfer klappt, stünden regelmäßig Fortbildungen gemeinsam mit den Kollegen auf dem Programm. Dazu zählen auch Vorträge renommierter Juristen wie des Datenschutzbeauftragte Baden-Württembergs, Dr. Stefan Brink. „Südwestmetall ist einfach unglaublich gut vernetzt. Davon profitieren wir auf vielen Ebenen.“
Apropos „viele Ebenen“: Hat die umtriebige Juristin eigentlich schon neue Pläne? Michaela Wiesenborn lacht: „Ich schätze mich glücklich sagen zu können, dass ich privat und beruflich angekommen bin.“
Michaela Wiesenborn
Referentin Arbeits- und Sozialrecht bei Südwestmetall, Bezirksgruppe Rems-Murr